Das Interview mit Thomas Nitschmann – Bundestrainer der deutschen Karate Nationalmannschaft (Kumite)

Bekomme einen Einblick in die Ansichten von Thomas auf seinen Umgang mit Athleten und mit sich selbst

Name: Thomas Nitschmann

Alter: 50

Sportart: Karate – Bereich Kumite, Bundestrainer Senioren (Kumite) und U21

Thema Wettkampfvorbereitung:

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“

Thomas: „Der Tag vor dem Wettkampf ist geprägt durch Organisation. Ich studiere die Starterlisten und den Zeitplan, damit ich genau weiß, wann wer dran ist und gegen welchen Gegner. Zudem teile ich meine Coach-Kollegen für die Betreuung an der Fläche ein. Auch gehe ich die Vorbereitung zu dieser Meisterschaft erneut durch, um mir die Stärken und Schwächen meiner Sportler nochmals bewusst werden zu lassen, damit ich sie optimal auf dem Wettkampf betreuen kann. Wenn die komplette Organisation für den Wettkampf abgeschlossen ist, fühle ich mich entspannt und vorbereitet.“

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“

Thomas: „Ich stehe rechtzeitig auf, um an diesem Tag nicht in zeitlichen Stress zu kommen. Da die Anspannung auf den Wettkampf sowieso präsent ist, versuche ich unnützen Stress zu vermeiden. Die Anspannung auf den Wettkampf muss ich nicht bekämpfen, da dies der Motivator ist, den ich für den Tag benötige.“

Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen? Nutzt du bestimmte mentale Werkzeuge, Verhaltensweisen oder Vorgehen dazu?“

Thomas: „Ich versuche mich komplett in die Rolle des Sportlers zu versetzen, um ihm eine Hilfe zu sein und keine Stolperfalle! Dies mache ich bewusst und unbewusst, da bei mir diese Situation vor einem Kampf zu stehen, noch präsent ist. Ich habe durch einige negative Erlebnisse zu meiner Zeit in Sachen Betreuung  gelernt.“

Thema Motivation:

Sebastian: „Was sind deine Ziele als Trainer? Was motiviert dich, damit du die Mühen aufnimmst?“

Thomas: „Zu sehen wie ein Sportler wächst und wie der Sport seinen Charakter verändert. Es ist nicht unbedingt die Medaille die mich nährt, sondern der Weg, den ein Sportler geht um diese zu erreichen – und ich darf ein Teil davon sein!“

Sebastian: „Wen würdest du gerne mal trainieren?

Thomas: „Alle die für den Erfolg alles geben.“                    

Sebastian: „Was machst du, wenn du vor einem Training mal keine Motivation hast?“

Thomas: „Nicht groß darüber nachdenken und einfach machen. Stehen motivierte Athleten vor mir und sind voller Tatendrang, dann haben sie mich schon immer abgeholt.“

Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um?“

Thomas: „Ich akzeptiere es, da es menschlich ist.“

Thema Persönlich:

Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“
Thomas: „Nehme jede Hilfe an die du kriegen kannst und sei unvoreingenommen.“

„Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast? Was war der Auslöser bzw. Grund?“

Thomas: „Der Weg den ich als Sportler und Trainer gegangen bin, war von mir nicht geplant. Nach Erfolgen wollte ich mehr und nach Niederlagen so schnell wie möglich wieder nach oben. Als Trainer war es genauso und zu keinem Zeitpunkt geplant. Eins war mir aber immer klar als Sportler und Trainer, wenn ich das Gefühl habe nicht mehr dafür zu brennen, ziehe ich sofort einen Schlussstrich.“

„Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“

Thomas: „Ich lasse mir für alles Zeit!“

Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“

Thomas: „Nach einem verlorenem Kampf und grausiger Vorstellung, sagte mein Trainer zu mir „ein guter Kämpfer muss auch mal schlecht sein“ und lachte dabei, daraus habe ich viele Lehren gezogen. Da dieser Trainer auch mein Vorbild war, prägte mich dieser Satz und Situation zusätzlich.“

Sebastian: „Das ist eine tolle Message! Danke dafür. Wie suchst du dir denn deinen Ausgleich zum Sport? War das immer so oder hat sich das im Laufe der Zeit verändert?“

Thomas: „Alles verändert sich und das ist auch gut so! Als Sportler habe ich als Ausgleich zum Karate Tischtennis und Fußball gespielt, heute suche und brauche ich die Natur.“

Thema Fokus:

Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch eines Athleten, Schiedsrichterentscheidung…?“

Thomas: „Fehlende Einstellung zum Training und Wettkampf der Sportler bringt mich raus, denn ich versuche dann sofort den Grund dafür zu finden. Da dies aber leider selten möglich ist den Grund dafür sofort zu analysieren, verliere ich dabei meinen Fokus.“

Sebastian: „Wie findest du dann wieder den Fokus? Gibt es ein Werkzeug, ein Verhalten oder Vorgehen, dass du da nutzt?“

Thomas: „Ich konzentriere mich dann auf die Sportler bei denen die Einstellung stimmt, um meinen Fokus wieder zu erlangen. Es kostet zu viel Kraft die Einstellung derer anzuheben wo es nicht passt und mit diesem Wissen komme ich wieder in die Spur.“

Thema nach dem Wettkampf:

Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“

Thomas: „Ich analysiere diese Meisterschaft und schaue nach Trends, die ich im Training beachten muss. Warum und wie hat mein Sportler gewonnen oder verloren? War es ein technisches oder taktisches Problem, dann baue ich es ins Training ein. War der Sportler einfach nicht gut drauf, dann passiert nichts weiter.“

Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf nachdem er vorbei ist?“
Thomas: „Es kommt auf die Größe der Meisterschaft an und ob sie erfolgreich war oder nicht.
Krasse Fehlentscheidungen belasten mich länger.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einer Niederlage/schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas systematisches?“

Thomas: „Ich habe nichts systematisches, denn ich reagiere auf den Grund/Situation der Niederlage.“

Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas systematisches?Thomas: „Auch hier habe ich nichts systematisches.“

Thema Leadership:

Sebastian: „Wie gehst du mit Fehlern von Athleten um? Hat sich dieser Umgang bei dir über die Jahre verändert?“
Thomas: „Es kommt auf den Fehler an! Ich spreche nicht alles und sofort an und schaue erst mal in Ruhe und mit Abstand, ob der Fehler sich lohnt um Energie rein zu stecken.

Dieses Verhalten hat sich über Jahre entwickelt, denn früher war ich spontaner und impulsiver

und das führte oftmals nicht zum Erfolg.“

Sebastian: „Was ist das Erste, was du machst, wenn du einen Sportler übernimmst?“

Thomas: „Ich beobachte und lerne! Versuche darüber ihn kennen zu lernen, denn das Verhalten und die Einstellung zum Training sagen mehr als Worte. Erst später wird dann ein Gespräch gesucht und geführt.“

Sebastian: „Worauf legst du besonderen Wert bei der Beziehung zu einer Mannschaft/einem Sportler?“

Thomas: „Es kommt auf die Zeit an, wie lange ich mit einem Sportler schon zusammen arbeite!

Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten aber gegenseitiger Respekt ist ein Muss.“

Sebastian: „Was tust du, damit dein Athlet 100% gibt?“

Thomas: „Auch diese Frage kann ich nicht pauschal beantworten! Es kommt auf die Situation an und wieder Sportler momentan drauf ist. Dies zu erkennen ist schwierig und eine Kunst!“

Sebastian: „Wie bereitest du ein Feedback an einen Sportler im Training oder Wettkampf vor? Ist das spontan oder durchdacht? Wie gehst du vor?“

Thomas: „Direktes Feedback über gute Technik und Einstellung gebe ich sofort und spontan. Technikfehler im Training bespreche ich auch sofort. Bei Fehlverhalten und fehlender Einstellung/Motivation analysiere ich erst einmal, um die richtigen Worten zu finden.“

Sebastian: „Wie wichtig ist dir Feedback durch deine Sportler? Wie holst du es gegebenenfalls ein?“

Thomas: „Eine gute Einstellung im Training und Wettkampf ist Feedback genug für mich!“

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