Das Interview mit Chris Faust – Hockeybundestrainer der österreichischen Damennationalmannschaft

Bekomme einen Einblick in die persönlichen Werkzeuge von Chris

Name: Chris Faust – Hockeybundestrainer der österreichischen Damennationalmannschaft

Alter: 53

Sportart: Feldhockey

Thema Wettkampfvorbereitung:

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag vor dem Wettkampf vor? Was machst du für dich und warum?“

Chris: „Ich bereite mich für die Mannschaft mit Video-Studien, sowie mit Gesprächen mit meinen Schlüsselspielern vor. Auch Gespräche mit meinen Assistenztrainern sowie Gegner-Studie und Ideen stehen natürlich auf dem Plan. Für mich persönlich suche ich Pausen mit Mittagsschlaf und Spaziergängen sowie Tee oder Kaffee und abends als Rituale ein Glas Rotwein oder Gin Tonic.“

Sebastian: „Wie bereitest du dich am Tag des Wettkampfs auf den Start vor? Was machst du für dich und warum?“

Chris: „Meistens stehe ich schon gegen 4:00 Uhr früh auf und bereite die Abschlussbesprechung vor. Das kann schon mal bis 8:00 Uhr morgens dauern. Die Videoschnitte und PowerPoint können mal solange dauern. Die Zeit bis zum Spiel ist dann meistens sehr Lange, mir ist es lieber das Spiel ist gegen 11-12:00 Uhr am Vormittag. Ich delegiere sehr gerne das Warm Up auf dem Platz, um einfach noch in feinster „Franz Beckenbauer“ Manier über den Platz zu schlendern, mich in meiner Athleten rein zu spüren und Fokus auf das Coaching zu sammeln.“

Sebastian: „Was machst du die letzten Minuten, um dich auf den Wettkampf vorzubereiten? Was genau machst du bewusst oder unbewusst, um dich so richtig auf den Wettkampf einzustellen? Nutzt du bestimmte mentale Werkzeuge, Verhaltensweisen oder Vorgehen dazu?“

Chris: „Nach meinem Franz Beckenbauer Spaziergang, in dem ich Ideen für die letzte Ansprache kurz vor dem Spiel sammle, erzähle ich gerne eine kleine Geschichte oder mache Spaß um eine gewisse Lockerheit rein zu bekommen. Gleichzeit versuche ich aber auch die Emotionen zu wecken und klar zu machen, dass es jetzt rausgeht und wir von der ersten Sekunde an da sind. Viele Leute bezeichnen mich als Rampensau und ich liebe das laute emotionale Coaching aller Kloppo. Ich behaupte ja, das hat er von mir kopiert. ;-)“

Sebastian:„Das sind ganz spannende Einblicke mit deiner Art, wie du versuchst die zu viele Spannung rauszunehmen. Wie weckst du die Emotionen denn dann wieder?

Chris: „Mit kleinen Dingen, wie zum Beispiel „Schaut mich an, ihr geht jetzt da raus….ne Menge Pathos aus Rocky o.ä., wir haben immer keywords, Metaphern für Kampagnen, die erwecke ich und dann geht die Post ab…egal, mit Herz (Emotio) und Hirn (Ratio).“

Sebastian: „Bist du auch manchmal aufgeregt und musst dich beruhigen?“

Chris: „Na ja…das fällt wieder unter positive  Routine und „Schule des Lebens“, also: Nein. Freudig erregt jetzt, ich bin auch der größte Fan meines Teams und will sie sehen, wie die Tools funktionieren und was wir ändern müssen ggf. Früher hatte ich Stressdurchfall u.v.a., frag nicht nach der Geisel des coachens….ich habe immer gesagt damals: Trainer ist geil aber die Spiele 🙁 Heute delegiere ich Training in Gruppen und mache auch Kleingruppen. Manchmal aber schaue mir das Große und Ganze an, dass ist viel wichtiger….“

Thema Motivation:

Sebastian: „Was sind deine Ziele als Trainer? Was motiviert dich, damit du die Mühen aufnimmst?“

Chris: „Wie du ja weißt, Sebastian, ist mein Coaching oder mein Lebensgefühl Trainer nach der Depression viel angenehmer und wird nicht mehr durch Ängste regiert. Da ich schon sehr lange Nationalmannschaft coache, bin ich immer noch sehr motiviert und liebe meine positive Routine mittlerweile. Sehr viele große Events für 2021 stehen vor der Tür und ich freue mich, durch diese großen Aufgaben (Hallen Weltmeisterschaft Damen etc.) meine Teams wieder zu entwickeln. Ich liebe das internationale Geschäft, ich liebe es zu reisen, ich liebe es, meine Teams zu begleiten und zu sehen wie sie wachsen. Das ist meine Motivation, mit Geld kaum zu bezahlen, die Selbstverwirklichung meiner Gedanken und den Transfer dazu auf das Team und die täglichen Ideen im Alltag inspirieren mich meine Teams versuchen besser zu machen.“

Sebastian:„Das hört sich echt toll an!“

Sebastian: „Wen würdest du gerne mal trainieren?“

Chris: „Dadurch das ich schon für sehr viele Nationen gearbeitet habe, kann ich das nicht pauschal beantworten. Sicherlich würde ich gerne mal im holländischen oder im australischen Staff mitarbeiten.“                          

Sebastian: „Was machst du, wenn du vor einem Training mal keine Motivation hast?“

Chris: „Das kommt natürlich mal vor, dann versuche ich immer die Lieblingseinheiten der Athleten zu machen und durch ihren Spaß daran, auch bei mir die Freunde zu erwecken.“

Sebastian: „Toller Tip! Danke dafür.“

Sebastian: „Wie gehst du da mit dir um?“

Chris: „Milde und gütig geh ich damit um, der hohe Eigendruck bringt nichts außer negative Emotionen und man blockiert sich damit.  Es ist menschlich mal keine Motivation zu haben.“



Thema Persönlich:

Sebastian: „Was würdest du deinem 14-jährigen Ich für einen Tipp geben, den du damals hättest gebrauchen können?“

Chris: „Nicht soviel nachdenken und einfach machen, authentisch sein und zu probieren.“

Sebastian: „Wann war der Punkt als du dich für den Leistungssport bzw. für eine professionelle Karriere entschieden hast? Was war der Auslöser bzw. Grund?“

Chris: „Als Spieler blieb es mir versagt, mangels Talent und Verletzungen. Dann war es sicherlich 2002, in Holland die U 16 Europameisterschaft mit Markus Weise als Cheftrainer, mein kick um es auch zu probieren.“

Sebastian: „Was machst du morgens, um gut in einen Tag zu starten?“

Chris: „Mein Ritual ist ein Espresso und eine Orangensaftschorle und langsam checken was so geht und gemütlich in den Tag zukommen. Sehr unspektakulär und doch gemütlich mit Radio.“

Sebastian: „Welcher Spruch, Buch oder Mensch hat dich am meisten beeinflusst auf deinem Weg?“   

Chris: „Ganz klar: glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist!  Danach versuche ich zu leben das war mir ein guter Begleiter und passt auf so viele Lebenssituationen und hat für mich einen positiven Kick.“

Sebastian: „Ein toller Spruch mit viel Tiefe!“

Sebastian: „Wie suchst du dir deinen Ausgleich zum Sport? War das immer so oder hat sich das im Laufe der Zeit verändert?“

Chris: „So vor zehn Jahren habe ich auch noch unheimlich viel Sport getrieben. Aber das hat mit meinen ganzen Verletzungen nicht mehr so den Einklang. Heutzutage ist Ruhe viel Zeit mit mir selbst zu verbringen ein guter Schlüssel und ein guter Ausgleich….“

Thema Fokus:

Sebastian: „Wodurch verlierst du den Fokus im Wettkampf oder Training? Fehlversuch eines Athleten, Schiedsrichterentscheidung…?“

Chris: „Da bin ich durch die Erfahrung sehr fokussiert heutzutage. Die Athleten können nicht immer 100 % geben und von Schiedsrichtern habe ich seit vielen Jahren den Fokus runter. Sie versuchen ihr Bestes und es wird viel zu viel Energie in Schiedsrichter Entscheidungen rein gegeben. Viele haben das noch lange nicht verstanden. Wenn du den Schiedsrichter permanent bearbeitest, sind alle 50:50 Entscheidung gegen dich! Das ist meine Erfahrung.“

Sebastian: „Das ist eine sehr wertvolle Sicht.“

Sebastian: „Wie findest du dann wieder den Fokus? Gibt es ein Werkzeug, ein Verhalten oder Vorgehen, dass du da nutzt?“ 

Chris: „Ich esse sehr viel und trinke sehr viel während dem Spiel. Elektrolytgetränk und Cola als Kick, gesalzen Erdnüsse, Marzipan Schokolade, und Obst je nach Saison am liebsten Ananas geschnitten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Essen mich am Boden hält und mein Körper unheimlich gut versorgt und mein Nervenkostüm komplett im Griff hat. Die Regeln sind auch sehr strickt bei uns in der Sportart und lassen nicht viel Raum für negative Emotionen.

Wir haben die Absprache, dass ich den Ball coache, der Co-Trainer wechselt und der Teampsychologe die Bank coacht. Wir sind zu dritt im Funk und ich gebe dann Anweisungen, was ich gerne wie hätte an die Jungs. Das nimmt mir viel ab und ich kann am Platz arbeiten.“

Thema nach dem Wettkampf:

Sebastian: „Was machst du direkt nach dem Wettkampf? Wie bereitest du einen Wettkampf nach?“

Chris: „Es ist natürlich ausschlaggebend wie das Ergebnis ist. Freude oder trösten ist natürlich an der Tagesordnung, da ich zu meinen Teams eine sehr hohe emotionale Bindung habe. Es gibt kein Muster. Ich mache das aus der Emotion. Manchmal halte ich es für besser kurze Einzelgespräche zu führen und abzuklatschen, manchmal ist ein kurzes zusammenkommen besser. Das kann man nicht pauschal beantworten. Mir ist immer wichtig, schnell mit allen den Platz zu verlassen und dass sie auch alle Zeit haben, es selbst zu verarbeiten. Meistens nach 30-45 Minuten ein kurzes social meeting mit einer Kurzanalyse, sowie den weiteren Tagesablauf. Zwischen dem Spiel und dem Kurzmeeting, sitze ich mit meinen  Staff  zusammen und reflektiere das Spiel.“

Sebastian: „Wie lange denkst du noch an einen Wettkampf nachdem er vorbei ist?“

Chris: „Das ist auch sehr schwierig zu beantworten, da das unterschiedlich ist und es natürlich auch ein Unterschied macht, zwischen Emotion und Ratio. Tragisch verlorene Spiele oder Spiele, die man noch auf der Zielgeraden führ sich entscheidet, bleiben sicherlich länger im Gedächtnis, als Pflichtsiege oder zu erwartende Niederlagen.“

Sebastian:„Wie gehst du mit einer Niederlage/schlechten Wettkampf um? Gibt es etwas Systematisches?“

Chris:„Heutzutage geh ich sicherlich besser damit um als vor zehn Jahren, wo ich mich pauschal für Niederlagen verantwortlich gefühlt habe. Rational analysiere ich die Umsetzung des Play Books oder der Spielidee mit den abgerufenen Leistungen der Athleten. Emotional natürlich auch was mit dem Coaching in die Hose gegangen ist an diesem Tag. Generell  lebe ich nach dem bekannten Prinzip: Entweder wir gewinnen oder wir lernen. Wobei ich auch die Aussage sehr verachte, wenn man gewinnt, hat man alles richtig gemacht. Ich bin auch mit Siegen teilweise sehr unzufrieden und muss immer aufpassen, meine Athleten damit nicht zu nerven.“

Sebastian: „Du sagst, dass du früher dich für Niederlagen pauschal verantwortlich gefühlt hast. Was hat sich verändert? Wie ist es denn heute?“

Chris: „Heute bin ich aufgeräumter und distanzierter, was nicht  heißt, dass ich es hasse. Die Haltung tut gut und ich bin immer sehr realistisch auch im Vorfeld…wenn man gg die Weltrangliste 17 spielt als 31., ist davon auszugehen, dass es wohl nichts wird. Aber im Reframing Prozess mache ich daraus ne challange, immer lächeln, immer figthen, immer das playbook runter spielen….das klappt seit Jahren sehr gut und immer mal springt eine Überraschung raus, weil die „Großen“ auch nur Kacken gehen und wenn man seine Hausaufgaben macht taktisch…geht immer was (z.B.2016 Hallen EM Herren Swiss gg Holland 3:2, damals amtierender Weltmeister).“

Sebastian: „Wie gehst du mit einem Sieg/guten Wettkampf um? Gibt es hier etwas systematisches?“

Chris:  „Ich bin sicherlich viel ruhiger als früher. Generell habe ich durch die Jahre mehr Selbstvertrauen und bin anerkannter und kann mich selbst besser leiden. Sieg oder Niederlage bringt mich nicht mehr an meine Grenzen des Zumutbaren. Die Routine ist das Beste an dem Job. Das kann man nicht lernen und wenn man immer denkt, mit 50 internationalen Turnieren, man hat alles gesehen, liegt man falsch und das ist auch das Spannende daran. Es passieren immer wieder neue Dinge, die man nicht Voraussehen kann.“

Thema Leadership:

Sebastian: „Wie gehst du mit Fehlern von Athleten um? Hat sich dieser Umgang bei dir über die Jahre verändert?“

Chris:„Da gibt es sicherlich Unterschiede: Es gibt die Musterathleten, die hoch reflektiert sind und arbeiten und wissbegierig sind. Den verzeih ich gerne. Die beratungsresistenten Athleten haben es da schon schlimmer oder wenn Absprachen im taktischen Bereich nicht eingehalten werden, da geht schon ein Donnerwetter ab. Aber ich bin versöhnlicher und nicht mehr so nachtragen wie früher.“

Sebastian: „Das ist eine spannende Unterscheidung. Wissen die Spieler von diesem, ich würde es fast Spielraum nennen?“

Chris: „Ja, dass wissen sie. Ich entsorge die „Hochbegabten“ mehr und mehr, wenn sie „den Schlag“ nicht gehört haben…“

Sebastian: „Und wie ist das bei diesen Beratungsresistenten? Ist es dann der Fehler, der dich verärgert oder das uneinsichtige Verhalten?“

Chris: „Talent is not enough“, das ist der Punkt…“Cafehaus_Spieler“ haben nichts zu suchen im Leistungssport….Ich gebe ihnen eine Chance aber die müssen sie nutzen. Auch hier milde und gütig: nicht alle haben das Nationalspieler-Gen…man kann ihnen keinen Vorwurf machen, es ist nur schade….“

Sebastian: „Was ist das Erste, was du machst, wenn du eine Mannschaft/einen Sportler übernimmst?“

Chris: „Das ist eine gute Frage und nicht so einfach zu beantworten. Natürlich versuche ich die Mannschaft kennen zu lernen auf verschiedenen Wegen. Statistiken, Google der einzelnen Spieler, Altersstruktur, Sprechen mit alten Trainern, Mannschaftskapitäne und so weiter. Natürlich einen ersten Lehrgang mit Spiel und Spaß, sowie Teambuilding und Einzelgespräch.“

Sebastian:„Worauf legst du besonderen Wert bei der Beziehung zu einer Mannschaft/einem Sportler?“

Chris: „Mein Credo ist immer, dass wir eine Familie sind und mein Team sind wie Geschwister. Und doch sind wir in einer demokratischen Diktatur, die aber nicht unangenehm sein soll. Begeisterung und Struktur, dem Team einen Rahmen geben, der bekannt ist und in dem sie sich frei bewegen können.“

Sebastian:„Was tust du, damit dein Athlet 100% gibt?“

Chris: „Teams zu entwickeln ist ein mittel bis langfristiger Prozess. Vertrauen, Kommunikation und eine Struktur geben Ihnen, meiner Erfahrung nach viel Sicherheit. Mein Betreuerteam wird sehr viel eingebunden mit Athletiktrainer und Teampsychologe. So professionell zu arbeiten ist ein großes Stück Glück und unsere Athleten kommen sehr gerne zu uns und sind stolz darauf Mitglied im Team zu sein. Ich arbeite viel mit den Themen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Die müssen was mitbringen an Push. Wir geben viel aber es muss in Einklang sein! Das wissen sie und ich entferne immer wieder Athleten, die nicht passen…. positive „Kettenhunde“ habe ich da im Team. Das ist unsere Metapher und zum Spiel werden sie von der Kette gelassen.“

Sebastian: „Wie bereitest du ein Feedback an einen Sportler im Training oder Wettkampf vor? Ist das spontan oder durchdacht? Wie gehst du vor?“

Chris: „Mit meinem Teampsychologen haben wir Fragebögen entwickelt und bei jedem großen Lehrgang bestreite ich Eins-zu-Eins-Gespräche mit meinen Athleten und es kommt sehr gut an. Wir haben dadurch auch eine große Bindung. Aber auch immer wieder spontane Gespräche, viel Bauchgefühl…damit fahre ich gut.“

Sebastian: „Wie wichtig ist dir Feedback durch deine Sportler? Wie holst du es gegebenenfalls ein?“

Chris: „Das Feedback kommt in den Gesprächen und wie gesagt mache ich die Fragebögen. Gerne halte ich auch per WhatsApp oder durch ein Telefonat Kontakt.“

Pictures by „Worldsportpics“

Schreibe einen Kommentar